Unter Fenstern Zeichen.
© Herbert Marker, 2005

Fotoarbeit nach Kriterien der Conceptual Art an semiotischen Selbstverständlichkeiten im Wiener öffentlichen Raum von 2005.

Aussterbende Begriffe, vergessene und verblassende Schriftzeichen, alte Berufsbilder und teilweise verschroben wirkende Angebote an die Bewohner
und Nutzer der Stadt zeugen vom evolutionären Wandel des öffentlichen Mikrokosmos. Die Fotoarbeit  “Unter Fenstern Zeichen.”  sensibilisiert in gezielten Ausschnitten die Aufmerksamkeit für die detailreiche Schönheit und Komplexität der kaum beachteten (all)täglichen Lebensumgebung.

Sie weist gleichzeitig auf einen zwar öffentlichen, trotzdem vordergründig wenig wahrgenommenen Indikator auch der - gerade im täglichen Vergleich der aktuellen Realität - ethno-soziologischen Stadtentwicklung und Angebotsverwandlung hin und lässt damit einen noch existenten, dennoch grossteils schon verwehten Hauch persönlichen Engagements zwischen Angebot und Nachfrage, zwischen Handel, Gewerbe und Kunden spüren.   
“Ich bin (war) in deiner Nähe” - in jedem Wortsinn.

Auch daraus ergibt sich ein zuerst verborgener, aber logischer zweiter Aspekt der Arbeit - die zwingend schatten
hafte Existenz über den Zeichen. Hinter den Fenstern und also über den Zeichen ist Leben, muss Leben stattfinden. Hier lassen manchmal kleine individuelle Gestaltungen auf menschliches Tun schliessen. Die Interpretation dieses Tuns ergibt sich einzig aus der Konnotation des Betrachters, seiner erlernten Vorstellungswelt und des eigenen Bildungskontextes. Die Bestätigung durch die Bewohner selbst bleibt aus. Mensch und (meist auch) Ort bleiben unerkannt.

Die titelgebenden Fenster kommen manchmal nur in Spiegelungen der gegenüberliegenden Fassaden vor bzw. sind durch das Vorhandensein eines Gesimses, einer Unterbrechung der Dachlandschaft angedeutet. Oder werden sogar erst in einem bald zu erwartenden Neubau an dieser Stelle stattfinden.

Die Fotografien sind - obwohl das Angebot an Sujets täglich abnimmt - weniger dokumentarisch-konservatorisch als ein spontanes Spiel mit Proportionen und Flächen, Formen und Farben, Licht und Schatten. Diese Elemente werden nicht gestalterisch neu angelegt sondern mittels digitaler Kamera ausschnittsweise unmittelbar dem urbanen Raum entnommen. Einzige künstlerische Intervention beschränkt sich auf den perspektivischen Eingriff im Sinne des rechten Winkels. Gleichzeitig damit wird der Standpunkt des Beobachters sozusagen “erhöht” und in eine real nicht einnehmbare Position in einer anderen, fluchtpunktlosen Dimension verlegt.

Die fotografische Bestandsaufnahme begann mit ersten Testaufnahmen im Sommer 2004 und fand im Winter 2005 ihren endgültigen Abschluss. Die notwendigen Wege wurden mit öffentlichen Verkehrsmitteln, mit Motorroller und meistenteils zu Fuss bewältigt. Insgesamt ergab sich eine Wegstrecke von ca. 650 km für Recherche und Aufnahme und ein Zeitaufwand inkl. Bearbeitung, Archivierung und Nutzbarmachung von einigen hundert Stunden. Aus einer ungefähren Zahl von weit über 4000 Aufnahmen ausschliesslich im Stadtgebiet von Wien ergibt sich schlussendlich eine Auswahl von etwas über 2000 Ansichten, die in der Mehrzahl den oben beschriebenen Kriterien entsprechen.

Wien, Januar 2006.                               zurück